ذ Die Sande #4 – Epilogج

Einer von uns erwacht als erster und nimmt den anderen Schläfer mit zum Pool des Jardin de Ouazazarte.

Kurze Zeit später stehen wir vor Youssef und dem Teppichhaus. Von Nayra keine Spur. Khaled, der Manager habe angerufen. Leider habe er nicht nach Ouazazarte kommen können. Entweder er würde uns auf halber Strecke entgegenkommen. Oder uns in der Nähe von Agadir in einem Apartment oder Hotel treffen, in das wir auf unserer Küstentour nach Essaouira einkehren werden. Er, Youssef, würde alles arrangieren. Ich schaue ihm in die Augen. Er schaut offen zurück. Ich schaue Marion in die Augen. Dann willigen wir ein. Youssef gibt uns noch die Telefonnummer von Khaled. Mit gemischten Gefühlen verlassen wir Ouazazarte.

stammkneipeEin Teil der Strecke, bis nach Thaznakht kennen wir bereits von unserer Fahrt in die Wüste mit Mohamed. Natürlich werden wir dort in unserem Stammcafé ‚Hotel Iznaga‘  einen Halt machen. Vorher erreichen wir Ksar Ait Ben Haddou. Youssef hat uns den Ort empfohlen. Das Lehmdorf wurde aufwändig restauriert und diente als Filmkulisse. Hier und nicht in Ägypten liebte Richard Burton seine Königin. filmstadt_komplett_02An diesem Ort taucht eine Handvoll Frauen in einem ansonsten reinen Männerepos auf, tritt der Name T. H. Lawrence aus dem Dunkel der Geschichte und ein junger Peter O’Toole erklimmt das Rampenlicht der großen Bühne. Wir brauchen keinen Führer, sondern übernehmen die Einstellungen und Schnitte für unser Kopfkino selbst.

Die kurze Erfrischung in Thaznakht liegt hinter uns. „Detour“: Ein Schild führt uns weg von der Hauptstraße nach Tiznit. Auf einer Schotterpiste NEBEN der Straße, die die eigentliche Umleitung darstellt, aber ebenfalls noch gebaut wird, geht es weiter. Detour-Double? De-detour? Tour de detour? Wie auch immer, auf der Umleitungs-Umleitung rappelt es wie in der Wüste.

 


 

postTiznit umgibt eine dicke Mauer. Neun Tore durchbrechen sie und wir betreten durch eines die Stadt. Wir spazieren hindurch. Es gibt ein großes Hallo, als ich eine Katze vor einer Post fotografiere. Die Post in Marokko fotografiert man nicht. Auch nicht, wenn sie geschlossen ist. Die Stadt ist ansonsten schön anzuschauen. Aber für große Menschenansammlungen sind wir nicht mehr gemacht.

Auf der Weiterfahrt nach Agadir schalten wir das allererste mal die Air Condition aus. Draußen sind es 25°C und uns wird ein wenig kühl. Die Landschaft wird zunehmend fruchtbarer. Überall grünt es, an uns zieht eine riesige Palmenplantage vorbei. Wir erreichen die Küste. Vor den Toren Agadirs erfolgt die übliche Verkehrskontrolle am Checkpoint: Schilder bremsen den Verkehr auf 60, 40, schließlich auf 20 km/h. Ein letztes Schild fordert den vollen Stopp. Ein blau Uniformierter mit weißen Ärmelschonern verlangt Respekt. Es erfolgt ein prüfender Blick durch die Frontscheibe ins Innere des Fahrzeugs. Gefällt ihm, was er sieht, winkt er bestimmt zur Weiterfahrt. Polizisten werden in Marokko sehr ernst genommen. Gefahren wird trotzdem kreuz und quer. Rechtsfahren ist generell unbeliebt. landarbeiterinnenMit Macht zieht es alle, ob Lieferwagen oder Eselkarren, ob Moped oder Fahrrad, in die Mitte der Fahrbahn.

Der Verkehr nimmt zu, bald erfasst uns der Trubel auf den Straßen Agadirs. Er zirkuliert durch große Round Abouts. Außenspiegel schmiegt sich an Außenspiegel. Es ist mir unerklärlich, wie trotzdem dieser stattliche Reisebus dazwischen passt. Wir rollen über den Boulevard Mohamed V. Den hat es in jeder Stadt, die etwas auf sich hält.

Nach einer halben Stunde haben wir es geschafft, ein Schild verweist auf Essaouira. Die Küstenstraße windet sich am Meer entlang. Unser Leben ist wieder schön. Der nächste hübsche Ort sei unser. Ein Apartment mit Blick aufs Meer. Ein kleines Restaurant. Mit etwa Glück, eine Flasche Wein.

Wir handeln ein wenig mit dem Besitzer des Apartments in Tagazoute. Man erreicht es, wenn man von der Straße kommend oben im Haus ganz viele Treppen hinunter steigt und wir fragen uns, in welche Richtung man wohl die Etagen zählt. Es ist nicht besonders schön. Aber es liegt direkt an einem Strand und auf einer kleinen Terrasse ist der Blick hinaus aufs Meer ganz bezaubernd. Für eine Nacht ist es OK.

 


 

josephineDas kleine Restaurant heißt Josephine’s und wird von drei älteren Französinnen betrieben, die kein arabisch sprechen. Das Essen ist superb. Wein gibt es keinen.

Auf unserem Weg nach unten zu unserem Apartment, schlägt uns ein entsetzlicher Gestank entgegen. Kloake. Vorhin, als wir es besichtigten, war Ebbe. Das Meer zog das Unnennbare mit sich hinaus. Wir haben nichts bemerkt. Jetzt, bei Flut, bringt es alles unerbittlich zurück. Wir raffen unsere Sachen zusammen und stürmen die Treppen hinauf zum Wagen. Der Apartmentbesitzer hinter uns her. Er wollte eben bei uns den ausgemachten Zimmerpreis kassieren. Es bedarf keiner großen Worte. Ein Tip an die Nase genügt. Er versucht gar nicht erst, mit uns zu argumentieren. Ich starte den Wagen, eine Weile sehen wir ihn noch auf der Straße, bis die nächste Kurve ihn entschwinden lässt. Die Fenster sind alle herunter gekurbelt. Frische Nachtluft zieht hinein.

In den nächsten ein bis zwei Stunden lernen wir einige Lobbys von kleineren, größeren und ganz großen Hotels kennen. In Agadir ist keine Nebensaison. Von einem freundlichem Rezeptionisten werden wir auf das ‚Golden Beach‘ verwiesen. Ein einziges Zimmer ist noch frei. Es hat einen Balkon mit Blick auf den Pool.

Weder Youssef noch der Tourmanager hat uns angerufen. Erreichen konnten wir auch keinen der beiden…

 


 

Auf der Suche nach Frühstück und Gerechtigkeit.

Am nächsten Morgen versuche ich erneut, den Tourmanager zu erreichen. Wieder ertönt nur eine arabische Ansage mit einem Biep am Ende. Ich habe gestern schon auf das Band, dass ich dahinter vermute, gesprochen. Youssef geht nicht mehr an sein Telefon. Wir gehen ins Wasser.

Nachdem wir wieder aus dem Pool gestiegen sind, packen wir unsere Sachen und machen uns auf die Suche nach einem guten Frühstück. An der Promenade von Agadir finden wir Baguette, einen vorzüglichen Capuccino und frischgepressten Orangensaft. Der ist hier bis jetzt noch unerwähnt. Aber es vergeht kaum ein Café oder Restaurantbesuch, ohne das wir einen trinken.

Die nette Kellnerin bestätigt mir meinen Verdacht: Die Ansage sagt nicht viel mehr als „keine Nummer unter diesem Anschluss“. Mit den 2.000 DH haben wir längst abgeschlossen. Mit Ali Baba und seinen vierzig Räubern werden wir nun abrechnen.

Unser Frühstück haben wir gefunden. Jetzt wollen wir  Gerechtigkeit.

Nach längerem Warten erscheint in dem kleinen klimatisierten Raum der Tourist Police Agadir der einzige Mann, der englisch sprechen kann: Sami Murat Bin Al-Sud. Er musste extra herbei telefoniert werden. Wir erklären ihm die Situation. Geben ihm die Telefonnummer des angeblichen Tourmanagers. Herr Bin Al-Sud bestätigt die Kellnerin. Als nächstes ruft er Youssef an. Der geht an sein Handy, da er die Nummer des Anrufers nicht kennt. Youssef bekommt Angst und verleugnet sich, gibt sich dem Polizisten gegenüber als ein Anderer aus. Als Drittes ruft er im Teppichladen an. Nayra nimmt den Telefonhörer ab. Wir wissen, dass er sich vor der Polizei sehr fürchtet und verfolgen genüsslich die Szene, die sich vor uns abspielt.
I like.

Der Herr Bin Al-Sud bellt in den Apparat. Nayra scheint ihn unterbrechen zu wollen, aber der Polizist bellt weiter. Für europäische Ohren klingt ein Gespräch zwischen zwei Arabern schnell wie eine heftige Auseinandersetzung. Auch wenn sie sich Nettigkeiten sagen. Dieses Gespräch ist alles andere als nett. Nayra tischt ihm selbstverständlich eine anders geartete Geschichte auf. Herr Bin Al-Sud spricht auf ihn ein. Dabei wirft er uns einen kurzen Blick zu: He’s a layer. Wir nicken ihm zu. Ja. Das wissen wir. Schließlich reicht er mir den Hörer.

Nayra wimmert am Telefon: Why are you doing this to me?
Das ist mein Moment: Because you fuck us, Holger. Now we fuck you. Befriedigt lege ich auf.

Anschliessend wird die ganze Geschichte in einem langen Protokoll aufgenommen und der Tourist Police Ouazazarte übergeben. Dort nehmen die Dinge ihren Lauf.

In schā’a llāh.

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 Der nächste Tag: Sidi Ifni

Bilder des Tages


Thorsten Siefert Marion Lustig
Hallo, wir sind ThoMar: Thorsten & Marion.
Wir leben in Hamburg und arbeiten dort als freie Webdesigner.
Reisen ist unsere Leidenschaft. Wenn es Fragen oder Anregungen zu unserem Blog gibt:
Hier können sie hinterlassen werden. Wir freuen uns sehr über Kommentare.
2 Kommentare
  1. Yepp. Der Rücksturz zur Erde wird hart.

  2. Wie langweilig muss euch Hamburg nach diesem risikoreichen Abenteuer vorkommen. Willkommen zurück in einer etwas sicheren, kühleren Welt. M.

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